Die Arbeiten Emmi Piklers sind für das Bild vom Kind und das Konzept der freien Entwicklung von Kindern von großer Bedeutung. Pikler-Kurse für Kleinkinder erfreuen sich immer größerem Zulauf und versprechen, Eltern in ihrer Kompetenz zu unterstützen. Monika Aly bringt nun in ihrem neuen Buch „Mein Baby entdeckt sich und die Welt: Kindliche Entwicklung achtsam begleiten nach Emmi Pikler“ dieses Konzept interessierten Eltern näher.
Monika Aly, Kinderphysiotherapeutin, systemische Beraterin und Vorsitzende der Pikler Gesellschaft Berlin, ist eine der renommiertesten Pikler-Expertinnen Deutschland. In ihrem 159 Seiten umfassenden Buch führt sie Eltern in die kindliche Entwicklung auf Grundlage der Erkenntnisse der Pikler-Pädagogik ein. Neben einigen kurzen Einführungen zur Arbeit Emmi Piklers werden die Grundbedürfnisse des Neugeborenen, die Interaktion zwischen Eltern und Kind und die einzelnen Entwicklungsstufen im ersten Jahr ausführlich behandelt. Ein beigefügter Entwicklungsbogen der Kinderärztin Judith Falk bietet Eltern die Möglichkeit, ihr Kind gezielt zu beobachten und die Entwicklung des Kindes in seinen unterschiedlichen Entwicklungsbereichen zu dokumentieren.
Monika Aly hat in ihrem neuen Buch „Mein Baby entdeckt sich und die Welt: Kindliche Entwicklung achtsam begleiten nach Emmi Pikler“ einige wesentliche und bedeutende Grundlagen der kindlichen Entwicklung im ersten Lebensjahr zusammen getragen. Getreu der Leitlinie Emmi Piklers wird dabei der Schwerpunkt auf die natürliche Entwicklung des Kindes gelegt, die ohne Eingriffe selbständig verläuft. Eltern erhalten dabei die Aufforderung, ihr Kind in erster Linie genau zu beobachten, es in seiner Entwicklung wahrzunehmen und so sensibel auf seine Signale eingehen zu können. Leider sind neben diesen auch für die heutige Zeit wichtigen Aspekten des Pikleransatzes viele Ansichten vertreten, die nicht dem neuesten Forschungsstand entsprechen und Eltern irritieren und verunsichern können, beispielsweise wenn davon berichtet wird, dass Tragetücher die Entwicklung des Babys behindern und die Interaktion zwischen Eltern und Kind negativ beeinflussen oder dass „20 Prozent der Neugeborenen – auch bei optimalen Bedingungen und zum Stillen entschlossenen Müttern – weiterhin die Flasche [bevorzugen]. Sie werden auch so glücklich und zufrieden. Zudem gibt es Mütter, denen es lieber ist, das Kind aus der Flasche zu ernähren. Das Wohl und Wehe eines Säuglings hängt heutzutage nicht vom Stillen ab.“ Auch das Einschlafen an der Brust, das Schlafen im Elternbett und das Baden im Badeeimer werden strikt abgeraten. Ebenfalls fragwürdig ist die Anwendung des Entwicklungsbogens nach Judit Falk, in dem Eltern je nach Alter des Kindes eintragen können, ob das Kind bereits bestimmte Kompetenzen erworben hat oder nicht und diese dann mit der Altersnorm vergleichen können. Solche Tabellen, wie beispielsweise auch die sehr ausführliche Tabelle des Kleinkindpädagogen Kuno Beller, sind weniger für Eltern, sondern eher für pädagogischen oder medizinisches Personal geeignet und können in Händen von Eltern zu Verunsicherungen oder zum Einüben bestimmter Verhaltensweisen führen, damit das Kind die Altersnorm erfüllt.
Gesamturteil: Die Arbeit Emmi Piklers für die Pädagogik ist von großer Bedeutung. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn auch neuere Forschungsergebnisse ihren Weg in diesen Ansatz finden würden. Für Eltern ist „Mein Baby entdeckt sich und die Welt: Kindliche Entwicklung achtsam begleiten nach Emmi Pikler“ aus oben genannten Gründen leider nicht empfehlenswert.